Wissen heißt, wissen wo es steht – Linkliste FTW!

24. Juli 2024

Alle wollen gerne Infos schnell finden, aber nur sehr wenige wollen dokumentieren. Dummerweise kann man das spezifische Wissen der eigenen Organisation so furchtbar schlecht googlen und muss wohl selber tätig werden. Wie packt man das denn am besten an, wenn man quasi bei null anfängt? Zum Beispiel indem man existierendes Firmenwissen mit einer Linkliste erschließt – Minimum Viable Documentation - Teil 1

Ach ja, das alte Problem, alle wollen gerne Infos schnell finden, aber nur sehr wenige wollen dokumentieren. Nehmen wir an, du arbeitest aktuell in einer Organisation, in der faktisch keine Dokumentation über Prozesse, Ressourcen und Abläufe existiert.

Jede noch so banale Info muss jede:r Kolleg:in mühsam selbst rausfinden. Meistens heißt das, erstmal rausfinden, wer das überhaupt weiß und dann dort fragen. Die Menschen die viel gefragt werden, haben meistens irgendwann nur noch mittelgute Laune. Infos zur eigenen Organisation kann man halt nicht googlen… (Ich spreche hier übrigens über sehr allgemeine Sachen wie “Wie beantrage ich Urlaub?” und “Wie läuft der Einstellungsprozess für neue Mitarbeitende?” und weniger Tech-Doku wie “Wie funktioniert unsere Continuous Integration?”)

Am härtesten trifft fehlende Doku natürlich neue Kolleg:innen. Im guten Fall haben sie zwar Sorge, alle mit ihren Fragen zu nerven, fragen aber trotzdem. Im schlechten Fall versuchen sie, sich ohne Fragen irgendwie durchzuwurschteln und arbeiten dann oft verkehrt oder sehr wenig.

Schon doof irgendwie, aber die Kosten dafür – verlorene Zeit, Fehler und Frust – sind sehr verteilt und weitgehend unsichtbar. Die besonders betroffene Gruppe der Neuen hält sich mit Beschweren auch eher zurück. Darum gibt es leider viel zu selten gezielte Investitionen in bessere interne Dokumentation.

Jetzt nehmen wir weiter an, dass dich die Situation genug nervt, dass du das Problem angehen willst. Aber wie nur? Du hast doch auch keine Zeit erstmal wochenlang Doku zu schreiben und selbst wenn, wohin dann mit dem Kram? Du brauchst erstmal ein Wiki oder Notion und was das wieder kostet und … Aaaaah!!!

Okay, erstmal tief durchatmen. Wir verabschieden uns von der aufwändigen, perfekten Lösung. Vielleicht ist es gar nicht nötig, dass wir am Ende nur ein einziges System haben, in dem hinterher alles und jedes ausführlich beschrieben ist. Vielleicht reicht erstmal auch eine Art Inhaltsverzeichnis der bisher verfügbaren Infos 💡

Für den allerersten Schritt brauchen wir etwas, was besser ist als “nix” und das ist nicht so schwer. Der erste Baby Step kann so aussehen:

  • sammeln was bereits existiert (juhuu, niemand braucht neue Doku zu schreiben)
  • die Sammlung irgendwie[™] verteilen

Schritt 1 – Sammeln, was es schon gibt

Welche Seiten hast du dir selbst im Browser gebookmarkt (oder tippst du jeden Tag oben in die Adresszeile bis der richtige Vervollständigungsvorschlag kommt)? Die sind dein Ausgangspunkt. Jetzt gilt es andere anzuspitzen:

Welche Seiten rufen deine Kolleg:innen immer wieder auf? Wer ist schon lange dabei und/oder meistens gut organisiert? Bitte deine Kolleg:innen dir ihre arbeitsrelevanten Bookmarks zu exportieren.

Wirf alle Links auf einen Haufen, entferne doppelte und voila, Version 0.1 deiner Linkliste ist fertig.

Schritt 2 – Linkliste verteilen

Schön, dass es die Liste jetzt gibt, aber so richtig helfen tut sie ja erst, wenn auch andere sie benutzen.

Bei einer meiner ersten Stellen (es ist schon was her 🙈) fiel, wenn jemand neu anfing, innerhalb der ersten beiden Wochen immer irgendwann der Satz “Moment, ich besorg dir mal die Bookmarks vom Richy”. Man bekam dann einen Lesezeichen-Export, die man im eigenen Browser importierte und hatte die wichtigsten Links auf einen Haufen.

War das eine perfekte Lösung? OMG, nein!

Das war ja immer eine Momentaufnahme und von da an waren die Link-Sammlungen aller Kolleg:innen unabhängig voneinander. Wenn sich also ein Link änderte, musste das jede einzelne Person für sich feststellen, den neuen Link herausfinden und dann updaten.

Eine zentrale Lösung wäre natürlich schlauer gewesen, aber war diese sehr unperfekte Lösung trotzdem schon extrem hilfreich? OMG, ja!

Denn Richy war schon lange dabei und in seiner Liste waren alle wichtigen Links zu Produkten, FAQs und Admin-Interfaces. Der Sprung von “keine Links und keine Ahnung” hin zu “solider Grundstock der wichtigsten Links” war riesig.

Wenn es also keinen offensichtlichen zentralen Ort für deine shiny, neue Linkliste gibt, ist “in den Browser importierbare Bookmarks” ein okay-er Zwischenschritt.

Du müsstest dann nur noch die Bookmarks pushen, wie auch immer das in deiner Firma gut geht – Email, Slack, … – und dabei sagen, dass es die jeweils neueste Version bei dir gibt.

(Vorerst) Fertig!

Schöner: Linkliste zentral

Aber vielleicht gibt es ja bei euch schon einen Ort an dem du die Liste zentral ablegen und pflegen kannst? Google Doc/Suite, Office Online, Notion, Wiki, …

Ein paar Fragen um zu entscheiden, was ein guter Ort ist:

  • Was benutzt ihr denn gerade in der Firma, um Informationen zu verteilen? Welche dieser Kanäle funktionieren gut?
  • Worauf haben alle (zumindest lesend) Zugriff und kennen den Ort auch?
  • Falls noch mehr Leute mitpflegen wollen/sollen: Wo ist es einfach Schreibrechte zu vergeben, damit mehr Menschen die Linkliste updaten können?
  • Gibt es schon etwas wo Leute von sich aus nach Infos suchen?

Dann hinterlege die Linkliste an diesem zentralen Ort und verteile statt einer Bookmark-Datei den Link, pinne ihn in Slack an, bitte die Admins die Liste als Startseite im Browser auf neuen Firmenlaptops vorzukonfigurieren, … Die Möglichkeiten sind mannigfaltig. Benutze möglichst viele davon, damit es wirklich alle mitbekommen.

So, jetzt können wir die Linkliste und deren Auffindbarkeit noch weiter pimpen:

Bonuspunkt: Shortlink

Benutzt ihr Firmen-intern Shortlinks? Dann verpass der Linkliste eine kurze, gut merkbare URL. Dann hat man

  1. auch an neuen Geräten eine Chance die Linkliste aufzurufen und
  2. falls sich die wirkliche URL für die Linkliste ändert, braucht man nur den etablierten Shortlink auf den neuen Speicherort zeigen lassen.

Bonuspunkt: Sortieren

Noch hilfreicher wird deine Linkliste, wenn du sie grob in Kategorien unterteilst. Ein paar Beispiele:

  • “Wichtige Tools”, “Buchhaltunglinks”, “Werkstudierende”, “Sonstiges”, …
  • “Rund um Produkt A”, “Rund um Produkt B”, …
  • “PM”, “Dev”, “UX”, “Support”, …
  • “Internal Projekt X”, “Joint Venture Y”, “Initiative Z”, …
  • “Team T”, “Team M”, “Team N”, …

So können Leser:innen die Liste überfliegen und schnell einschätzen, welche Art Infos sie hier finden werden. Wenn ein Link in mehrere Kategorien passt, habe ich ihn immer in alle einsortiert.

Innerhalb der einzelnen Blöcke habe ich auch auf die Reihenfolge der Links geachtet. Im Normalfall nach “was brauchen die meisten”, seltener nach “was braucht man logisch gesehen als erstes”.

Bonuspunkt: Verschlagworten/taggen

Den letzten Bonuspunkt gibt es für Schlagworte/Tags/Keywords. Statt, dass da einfach nur steht:

https://produkt.b/login

Mindestens das hier schreiben:

Produkt B - Login

Und noch viel besser:

Produkt B Login (aka AlterProduktname) – unser B2B Angebot was X, Y und Z macht

Wenn ich z.B. diesen Artikel hier aus Gründen in meiner Linkliste hätte, dann würde ich außer „Linkliste“ noch Begriffe wie „Knowledge Base“, „interne Wissensbasis“, „Doku“ und „Dokumentation“ nennen. Alles was mir einfällt wonach Menschen potentiell suchen. Denn dann kann man mit der Browsersuche Strg+F schnell finden, was man sucht. Und vielleicht hat der Ort an dem die zentrale Liste lebt, ja auch eine Suchfunktion. Das wird bei Google Docs wenig helfen (Suche funktioniert sehr besch…eiden) aber in Notion sollte das helfen.

Muss man auch nicht alles auf einmal machen. Die zentrale Liste kann schon „live“ sein und dann verschlagwortest du einen Block nach dem anderen.

Disclaimer: Du hast den Job

So eine Linkliste funktioniert am besten, wenn es eine klare Ansprechperson gibt und sich jemand darum kümmert. Und da du sie initial aufgebaut hast… Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das jetzt dein Baby ist. Das hat auch ziemliche Vorteile: Du machst das Leben für viele Kolleg:innen einfacher und reibungsloser und sowas merken sich Leute. Du hast dann bei ziemlich vielen Menschen einen Stein im Brett. Lohnt sich! Also ganz abgesehen davon was man der Firma an Zeit und Menschen an Nerven spart.

Ausblick

Das Allerbeste an der Linkliste ist, dass wenn es erstmal einen Weg gibt Infos zuverlässig zu finden, es sich plötzlich viel mehr lohnt, neue Doku zu schreiben. Darauf gehe ich demnächst in “Minimum Viable Documentation Teil 2” ein.

Über die Autorin

Corinna Baldauf ist seit vielen Jahren in der agilen Szene bekannt als Mutter des Retromaten und für ihre 1-Pager zu Agilität, Lean, Produktmanagement, Facilitation und Dev-Themen. Sie ist seit Januar 2024 (rein)orange.